Im Jahre 1922 gründete Margherita Sarfatti die Künstlergruppe „Novecento“ (20. Jahrhundert). Zu ihr gehörten: Sironi (siehe rechts sein Porträt von Margherita Sarfatti), Funi, Oppi, Malerba, Dudreville, Marussig und Bucci. 1924 wurde die Gruppe zur Biennale in Venedig eingeladen, wenig später löste sie sich auf, formierte sich aber im Jahre 1925 neu und nannte sich von nun an „Novecento Italiano“. Margherita Sarfatti unterstützte die Künstler als Kunstkritikerin, Mäzenin und Kuratorin. Ihr ist es zu verdanken, dass der „Novecento Italiano“ auch im Ausland ausstellen konnte und dort breite Anerkennung fand. 1927 wurden die Bilder und Skulpturen der Novecentisten in Hamburg gezeigt.
Im Ausstellungskatalog schreibt Sarfatti:
„Der Novecento strebt derzeit nach einer neuen, italienischen Synthese der Werte, die, ausgehend vom Norden, das Land der vollkommenen, mediterranen Schönheit erreichen. Jedes Volk verleiht seiner Kunst den Stempel seines Charakters, der im Wandel der Jahrhunderte bestehen bleibt. Der italienische Charakter zeigt sich in dem Bemühen, die einzelnen natürlichen Aspekte der klaren und festen Konstruktion einer idealen Schönheit unterzuordnen.
Wie kann man dieses Ideal im 20. Jahrhundert realisieren? Die früheren extremistischen Strömungen, vor allem die in Frankreich, tendieren zu einem Dialog mit der Technik unserer Zeit, mit dem objektiven und materialistischen mathematischen Geist der Maschine und der Fabrik. Tendenzen, die auch in Italien wahrgenommen werden, aber mit einem gewissen Abstand und mit einem Maß, welches auf der klassischen Tradition fundiert.“
1930, das Jahr, in dem Adolfo Wildt seine Sarfatti-Büste schuf (siehe Foto), schreibt Margherita Sarfatti im „Almanacco degli artisti“:
„Die Novecentisten sind überzeugt, dass die Form einfach und, auch wenn sie nicht real ist, dennoch wahr sein muss. ‘Die Form prezise und entschieden, die Farbe kräftig‘. Sie nennen sich klassizistisch, aber ihr nackter, moderner und extremeinfacher Klassizismus hat nichts mit dem im Talar eingewickelten Klassizismus zu tun, elegant, archaisch und eingefroren in der Norm des 19. Jahrhunderts.
Keiner der Novecentisten verleugnet den ‘Modernismus‘. Sie lieben den Modernismus mit erfülltem absoluten Enthusiasmus und kämpfen mit diesem glühenden ‘Modernismus‘, um ihn zu ewiger Größe zu erhöhen. (…)
Es wäre ein Fehler zu glauben, dass sich die Novecentisten von Programmen oder Dogmen leiten ließen. Ganz im Gegenteil. Man beachte zum Beispiel die Landschaften von Arturo Tosi, seine Berge, Seen, lombardischen Felder, oder sein Meer und die tyrrhenischen Hügel, leuchtend, unbekümmert, von Frieden durchdrungen. Sie sind still und schwungvoll wie eine Virgilsche Ekloge oder wie eine herausgerissene Seite aus den Büchern des sanftmütigen Landsmannes von Tosi: Alessandro Manzoni.“